Die ganze Wertschöpfungskette

Magazin
01.06.2021


Interview Mauro Capiello

Rund um die Digital Assets entstehen innovative Ökosysteme. Die Teams von Finstar und der Hypothekarbank Lenzburg wollen bei der Entwicklung nicht nur dabei sein, sondern an vorderster Front mitwirken, damit sie die Möglichkeiten der Technologie kennenlernen und die Kunden von den neuen Opportunitäten profitieren können. Die Basis ist geschaffen, es fehlen nur noch wenige Puzzleteile.

Diese Ausgabe von Space steht unter dem Titel «Quo Vadis Digital Assets». Ihre Meinung, Herr Cappiello?

Die technischen Voraussetzungen für die Emission, die Verwahrung sowie den Handel von Digital Assets steht schon seit Jahren bereit. Zu Beginn waren es hauptsächlich Startup-Unternehmen, die Digital-Assets-Business-Modelle auf Basis neuer Technologien entwickelt und teilweise erfolgreich lanciert haben. Jetzt nehmen sich auch etablierte Finanzinstitute des Themas an.

Die Technologie steht seit Jahren zur Verfügung. Wie sieht es hinsichtlich Regulatorien aus?

Die FINMA und der Gesetzgeber wurden im 2015/16, und damit sehr früh, mit den Blockchain Technologien und den neu aufkommenden Startup-Organisationen konfrontiert. Sie verstehen nicht nur die Risiken, sie haben die Opportunitäten erkannt und die gesetzlichen Grundlagen geschaffen. Seit dem 1. Februar 2021 besteht Rechtssicherheit. Das öffnet nun Tür und Tor für die traditionellen Finanzindustrien im In- und im Ausland, um auf Basis von bekannten oder von neuen Business-Modellen regulierte digitale Finanzinstrumente zu emittieren, zu verwahren und zu handeln. Die Finanzindustrie hat damit die Möglichkeit, ihre Dienstleistungen schrittweise in neuen Ökosystemen – eigentlichen Blockchain-Netzwerken – anzubieten und damit ihre bestehenden Technologien zu ergänzen oder langfristig ganz zu ersetzen.

Wie lautet die Vision der Hypothekarbank Lenzburg bezüglich Digital Assets?
Die Hypothekarbank Lenzburg will bei der Entwicklung von neuen Ökosystemen an vorderster Front aktiv dabei sein. So können wir die neuen Möglichkeiten für unsere Kunden, unsere Mitarbeitenden und unsere Bank analysieren, bewerten und einsetzen. In diesen Ökosystemen sollen auch digitale Assets ihren Platz finden.

Wir glauben, dass Digital Assets – Wertschriften, digitaler Schweizer Franken oder andere Produkte – auf der Basis der Blockchain-Technologie und der neu entstehenden Ökosysteme zuerst die Finanz-, später weitere Industrien massiv verändern könnten.

Eine Regionalbank mit eher traditioneller Kundschaft und Digital Assets. Ist das kein Widerspruch?

Nein, unsere Kunden gehen mit der Zeit. Wir haben uns entschieden, in einem ersten Schritt die Emission, die Verwahrung und den Handel von regulierten Digitalen Assets wie Aktien, Partizipationsscheine und andere Finanzinstrumente anzubieten. Diese Anlagemöglichkeiten kennen die Kunden bereits in «traditioneller Form» – als Ergänzung bieten wir ihnen jetzt die vollumfängliche Verwaltung ihrer Digital Assets an.

Bargeld wird weiterleben

Welche Rolle spielen Digital Assets für die «Hypi» heute und in Zukunft?

Wir haben früh damit begonnen, in dieses neue Segment zu investieren, wir wollen lernen. Die Hypothekarbank Lenzburg war eine der ersten Banken in der Schweiz, die Blockchain-Unternehmen integrierte Bankdienstleistungen angeboten hat. Gleichzeitig bauen wir für unsere Privat- und Firmenkunden eine eigene Digital-Asset-Infrastruktur mit den entsprechenden Produkten auf. Das erlaubt uns, die gesamte Wertschöpfungskette abzudecken.

Werden die traditionellen Anlagen irgendwann ganz von Digital Assets abgelöst?

Nein. Traditionelle Anlagen wie Aktien, Obligationen werden künftig durch Digital Assets repräsentiert und auch abgewickelt.

Und wann zahlen wir im Laden nur noch mit Kryptowährungen?

Wir sind davon überzeugt, dass digitale Währungen sowohl online als auch im Laden als Zahlungsmittel mehr und mehr zum Einsatz gelangen. Die Schweizerische Nationalbank verfolgt einige Initiativen für die Entwicklung eines digitalen Frankens. Im Moment zwar mehr für die Banken, in Zukunft aber hoffentlich auch für die privaten Kunden – damit haben wir verschiedene Optionen für das Zahlen mit digitalen Währungen. Bargeld wird jedoch weiterleben, seinen Platz und seine Berechtigung behaupten.

 

Digitalisierung hat Grenzen

Die Möglichkeiten Digitaler Assets scheinen unendlich. Wo orten Sie für die «Hypi» das grösste Potenzial?

Wie gesagt gilt unser Fokus im Moment den regulierten Digitalen Assets und den Möglichkeiten des digitalen Schweizer Frankens. Wir werden aber auch andere neue Digital-Asset-Klassen beobachten, etwa Decentralised Finance (Defi) oder Non-Fungible Tokens (NFT).

Wird irgendwann die ganze Welt in Digital Assets abgebildet?

Ich denke, vieles, was wir uns im Moment noch nicht vorstellen können, wird digitalisiert werden, beispielsweise Dienstleistungen. Die Digitalisierung hat allerdings auch Grenzen, etwa wenn wir nicht digitale Werte abbilden wollen: Man muss immer noch den Menschen vertrauen, die physischen Werte zu verwahren und zu bewerten.

Was braucht es, um Digital Assets zu einem Markterfolg zu machen?

Die Hypothekarbank Lenzburg deckt beinahe die ganze Wertschöpfungskette ab mit der Emission, dem Kunden-Onboarding und der Verwahrung. Von anderer Seite braucht es jetzt noch Handelsplätze sowie einen digitalen Franken, der uns erlaubt, Geschäfte auf der Blockchain kosten- und zeiteffizient abzuwickeln.

Technologie und Abwicklung anpassen

Inwiefern unterscheiden sich die Angebote für Privat- von jenen für Firmenkunden?

Lassen Sie mich zwei Punkte herausgreifen: Privatkunden haben künftig die Möglichkeit, bei uns in Digital Assets zu investieren und ihre Anlagen sicher bei uns zu verwahren. Für unsere Firmenkunden ermöglichen wir die Digitalisierung ihrer Aktien. Auf Basis der Anteils- und Genussscheine können sie beispielsweise Kapitalerhöhungen realisieren.

Von wem werden diese Produkte entwickelt?

Teilweise erfolgt die Entwicklung intern, teilweise mit strategischen Service Providern aus den Bereichen Digital Assets respektive Blockchain Services, beispielsweise mit der Taurus Group. Zentral ist für uns, zusammen mit unseren Partnern die ganze Wertschöpfungskette bereitstellen und interne Kompetenz aufbauen zu können.

Noch steckt in Digital Assets viel Auf- und Erklärungsbedarf bei Mitarbeitenden und bei Kunden. Wie gehen Sie dieses Thema an?

Zurzeit entwickelt die HBL Academy mit verschiedenen Partnern interne Ausbildungsprogramme, die dann auch anderen Banken angeboten werden sollen, auch für unsere Kundinnen und Kunden werden wir entsprechende Referate planen.

Was bedeuten Digital Assets für Ihre Mitarbeitenden im Allgemeinen und die Berater im Speziellen?

Die Mitarbeitenden haben die Möglichkeit, mehr über die Blockchain-Technologiekonzepte, die Business- Modelle und Ökosysteme zu lernen und gleichzeitig ihre langjährigen Prozesserfahrungen in diese Transformationsphase einzubringen. Die Produkterfahrung unserer Berater wird uns helfen, den Kunden unsere Digital-Assets-Anlagen und Verwahrungsservices näherzubringen. Denn: Viele Finanzinstrumente ändern sich nicht. Nur die Technologie, die Regularien und die Abwicklung werden den neuen Möglichkeiten angepasst.

Viele Instrumente ändern sich nicht. Wie verändert sich die Bank?

Unsere Bank wird sich neuen offenen Ökosystemen anschliessen und dort ihre Services anbieten, dies vermehrt auch direkt und indirekt mit Partnerbanken. Solche Kooperationen eröffnen unseren bestehenden und den neuen Kunden zusätzliche Anlagemöglichkeiten.

Die Hypi Lenzburg ist Teil einer Vereinigung zur Schaffung von Standards im Blockchain-Geschäft. Wo stehen diese Arbeiten?

Wir sind der Capital Market and Technology Association (CMTA) beigetreten und arbeiten daneben bei anderen Blockchain-Initiativen mit. Die CMTA hat im Sommer 2020 einen Industrie-Test auf einer produktiven Blockchain durchgeführt, an dem wir gemeinsam mit renommierten Partnern teilgenommen haben. Als aktive Teilnehmer an den CMTA-Workshops können wir an der nächsten Version der CMTA Standards mitarbeiten.

Wie sehen Ihre nächsten Schritte auf dem Weg zur Digitalisierung von Assets aus?

Wie festgestellt ist unsere Wertschöpfungskette beinahe komplett. Es fehlen nur noch wenige Puzzleteile, damit die Digitalisierung von Assets sinnvoll und attraktiv ist.

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